
...warum ich keine Arbeitnehmerüberlassung empfehle und solche Angebote ablehne!
Die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) von Selbständigen (insbesondere von Juristen/Rechtsanwälten) ist ein Thema, das vor allem in der Vermittlung hochqualifizierter Freelancer durch Juristen, Provider und Unternehmen immer wieder aufkommt. Doch nach Sichtung aktueller Rechtsprechung und den Erfahrungen aus der Praxis ergibt sich ein eindeutiges Bild: Die Arbeitnehmerüberlassung für Selbständige birgt erhebliche Nachteile und rechtliche Gefahren – für alle Beteiligten.
1. Verlust der unternehmerischen Selbständigkeit
Wer als Selbständiger in der ANÜ arbeitet, gibt zentrale unternehmerische Freiheiten auf: Die freie Wahl von Projekten, Arbeitszeiten, Honorargestaltung und die Eigenverantwortung im Geschäftsmodell gehen weitgehend verloren. Damit einhergehen ein Gefühl der Entwertung und ein Statusverlust – viele Betroffene berichten, sie würden wie „Arbeitnehmer zweiter Klasse“ behandelt oder ihre eigentliche Rolle als Unternehmer werde nicht mehr anerkannt. Wer hier ein rein "emotionales" Problem annimmt, mag weiterlesen bis zu den Kriterien der Scheinselbständigkeit weiter unten.
2. Deutlich niedrigeres Einkommen
Die finanzielle Attraktivität sinkt massiv. In der ANÜ sind die Honorare meist deutlich geringer als bei echten freien Projekten. Zusätzlich reduzieren Providergebühren die Einnahmen weiter. Die Kosten der privaten Vorsorge bleiben, während steuerliche Vorteile teils entfallen – das sprichwörtliche Minusgeschäft für qualifizierte Selbständige.
3. Keine Perspektive, keine Motivation
Durch die fehlende Perspektive einer Festanstellung oder längerfristige Entwicklung im Kundenunternehmen entsteht schnell Demotivation. Weder Vermittler noch Endkunden investieren in Weiterbildungen oder Aufstiegsmöglichkeiten – Übernahmen sind selten und - zumindest in meinem Fall - nicht gewünscht.
4. Aufrechterhaltung laufender Kosten
Ob Versicherungen, IT-Ausstattung oder berufsspezifische Ausgaben – Selbständige müssen diese Infrastruktur weiterhin finanzieren, können aber viele betriebliche Vorteile sowie Abzüge nicht mehr nutzen. Insoweit ein greifbares Kostenargument, sofern man die obigen Gründe für zu individuell hält.
5. Erhebliche rechtliche Risiken für Auftraggeber und Provider
Schon kleine Fehler bei der Vertrags- oder Praxisausgestaltung führen schnell zu einer sog. verdeckten Arbeitnehmerüberlassung.
Die Rechtsfolgen sind gravierend:
- Scheinselbstständigkeit: Wird eine „freie Mitarbeit“ faktisch wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gelebt (Eingliederung, Weisungsgebundenheit, fehlendes Unternehmensrisiko), droht rückwirkend die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses. Das Unternehmen muss bis zu vier, bei Vorsatz sogar bis zu dreißig Jahre (!) Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, zuzüglich Säumniszuschlägen und eventuell strafrechtlichen Konsequenzen (§ 266a StGB).
Ob hier ein - oft empfohlenes - Statusfeststellungsverfahren weiterhilft, ist fraglich, denn die (mir bekannten) Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung sind, angesichts bekanntlich leerer Kassen und aus Rechtsgründen, oft eindeutig zu Lasten der Selbständigen. An dieser Stelle sollte man nicht außer Acht lassen, dass auftraggebende Unternehmen wohl in der Regel finanziell besser dastehen als Selbständige, die Nachzahlungen und Bußgelder aus der eigenen Tasche zahlen müssen. Insoweit verwundert es wenig, wenn "leitende Angestellte" beim Auftraggeber kein offenes Ohr für dieses Thema haben; sie zahlen es ja nicht selbst bzw. oft nicht einmal aus dem Abteilungsbudget.
- Verdeckte oder unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung: Erfolgt die Überlassung ohne erforderliche Erlaubnis, entsteht ein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und Selbständigem (§ 9, § 10 AÜG). Alle arbeitsrechtlichen Pflichten, von Lohn- und Urlaubsanspruch bis Kündigungsschutz, sind rückwirkend zu erfüllen.
- Steuerrechtliche Konsequenzen: Die Umqualifizierung löst regelmäßig Nachzahlungen von Lohnsteuer aus, für die beide Seiten haften. Es drohen Umsatzsteuerrückabwicklungen, Gewerbeabmeldung und weitere steuerliche Schwierigkeiten.
- Bußgelder und strafrechtliche Konsequenzen: Vermittler und Auftraggeber riskieren Bußgelder bis 30.000€ pro Verstoß. Bei vorsätzlichen Verstößen kann es zu strafrechtlichen Verfahren und Freiheitsstrafen kommen – in schweren Fällen wurden bereits mehrjährige Haftstrafen ausgesprochen.
Wichtig: Die Risiken gelten unabhängig davon, ob nachweislich vorsätzlich oder „nur“ fahrlässig gehandelt wurde. Schon organisatorische Fehler oder eine unklare Vertragsstruktur reichen oft aus, um massive Rechtsfolgen auszulösen. Insoweit gilt auch hier: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe!
Die Zeitarbeit erscheint den Auftraggebenden gelegentlich rechtlich weniger angreifbar. Die Selbstständigen werden im Rahmen der ANÜ zu Arbeitnehmer/innen, die Kosten und Margen der Vermittler sind noch höher als bei einer Vermittlung von Aufträgen an Selbstständige. Den Betroffenen bleibt oft ein niedrigeres Honorar beziehungsweise Gehalt ohne dass sich die Risiken reduzieren würden.
6. Weitere Gefahren für Vermittler (Provider, Juristen)
- Unwirksame Verträge: Verträge bei verdeckter ANÜ gelten als nichtig. Es entsteht automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher (Kunde) und Selbständigem.
- Geldbußen und Gewinnabschöpfung: Neben den massiven Bußgeldern kann darüber hinaus der gesamte wirtschaftliche Vorteil (Honorar/Marge) eingezogen werden. Besonders mehrfach und systematisch Handelnde werden wirtschaftlich existenziell bedroht.
- Haftung für Sozialabgaben und Steuern: Vermittler haften als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Kunden für alle Nachzahlungen, auch rückwirkend.
- Reputationsverlust: Öffentliche Skandale oder Eintragungen ins Gewerbezentralregister zerstören das Vertrauen von Kunden und Partnern dauerhaft – oft der Anfang vom Ende des eigenen Geschäftsmodells.
7. Warnhinweise zur Vertragsgestaltung und Praxis
Für Auftraggeber und Provider/Juristen, die Freelancer vermitteln:
- Vermeiden Sie jede Vertragsgestaltung oder Praxisausführung, die nach Eingliederung, Weisungsgebundenheit, festen Arbeitszeiten, Nutzung von Betriebsmitteln des Kunden, dauerhafte Teamintegration oder einseitige Arbeitspflichten aussieht.
- Prüfen Sie, ob tatsächlich eine eigenverantwortliche und unternehmerisch selbstständige Tätigkeit vorliegt – im Zweifel hilft ein Statusfeststellungsverfahren unter Beachtung der obigen Hinweise.
- Halten Sie die gesetzlichen Offenlegungspflichten und alle Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes strikt ein.
- Dokumentieren Sie die unabhängige Arbeitsweise und vermeiden Sie „Kettenverleih“ sowie den Einsatz von Selbständigen als dauerhaftes Teammitglied oder mit festen Arbeitszeiten.
8. Neueste Rechtsprechung (2024/2025): Was ist zu beachten?
Aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigen: Maßgeblich sind immer die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse und nicht, wie der, nichtsdestoweniger rechtskonforme, Vertrag bezeichnet ist. Eingliederung in die Organisation, Weisungsgebundenheit und fehlende unternehmerische Initiative führen regelmäßig zur Umqualifizierung.
Urteile bekräftigen, dass bei Verstößen gegen das AÜG neben Nachzahlungen und Nichtigkeit der Verträge auch strafrechtliche Folgen (bis zu mehrjährigen Haftstrafen) möglich sind, insbesondere bei gewerbsmäßigem oder systematischem Handeln.
Fazit und dringende Empfehlung
Die Arbeitnehmerüberlassung von Selbständigen vereint die gravierendsten Nachteile von Festanstellung und Selbständigkeit – ohne deren Vorteile zu bieten. Sie ist für Selbständige wirtschaftlich und persönlich unattraktiv und für Auftraggeber sowie Vermittler existenzbedrohlich riskant.
Die Risiken reichen von Nachzahlungen und Vertragsnichtigkeit über Bußgelder bis hin zur Gefährdung der beruflichen Existenz und Strafen nach dem Strafgesetzbuch. Eine fehlerhafte Konstruktion zerstört Vertrauen und Geschäfte gleichermaßen.
Unternehmen, Provider und Juristen sind verpflichtet, auf professionelle Vertragsgestaltung mit klarer Abgrenzung zu achten und regelmäßig den Status von Freelancern zu überprüfen. Der gezielte Verzicht auf Arbeitnehmerüberlassung im Bereich selbständiger Tätigkeiten ist der sicherste Weg, rechtliche, wirtschaftliche und persönliche Katastrophen für alle Beteiligten zu vermeiden – oder zumindest zu minimieren.
Warnung: Wer heute aus Nachlässigkeit, Unwissenheit oder Gewinninteresse auf eine Arbeitnehmerüberlassung von Selbständigen setzt, spielt im Ernstfall mit dem Fortbestand seines Geschäfts. Lassen Sie sich im Zweifel sozialrechtlich vom Fachanwalt beraten – und entscheiden Sie sich für saubere Vertragskonstellationen mit echtem Unternehmertum. Das hat weitaus weniger Fallstricke und ist erfahrungsgemäß auch für Provider, die Juristen vermitteln kein Nachteil!
...why I do not recommend employee leasing and reject such offers!
Employee leasing (ANÜ) of self-employed professionals (especially of lawyers) is a recurring topic, especially in the placement of highly qualified freelancers by lawyers, providers, and companies. However, after reviewing current case law and practical experience, the picture is clear: employee leasing for self-employed persons entails significant disadvantages and legal risks – for everyone involved.
1. Loss of entrepreneurial independence
Anyone working as a self-employed person in ANÜ gives up key entrepreneurial freedoms: the free choice of projects, working hours, fee structuring, and personal responsibility within the business model are largely lost. This leads to a feeling of devaluation and loss of status – many affected report being treated as "second-class employees" or that their actual role as entrepreneurs is no longer recognized. If you consider this just an "emotional" issue, read on to the criteria for bogus self-employment below.
2. Significantly lower income
Financial attractiveness drops dramatically. In ANÜ, fees are usually much lower than with genuine freelance projects. Additionally, provider fees further reduce income. Private pension costs remain while tax benefits are partially lost – a proverbial losing deal for qualified self-employed professionals.
3. No perspective, no motivation
The lack of prospects for permanent employment or long-term development within the client company quickly leads to demotivation. Neither intermediaries nor end customers invest in further training or advancement opportunities – takeovers are rare and – at least in my case – not desired.
4. Continuation of ongoing costs
Whether insurance, IT equipment or job-specific expenses: self-employed people must continue to finance this infrastructure but can no longer benefit from many business expenses or deductions. This provides a tangible cost argument if the reasons above seem too individual.
5. Significant legal risks for clients and providers
Even minor errors in contract or practice arrangements quickly lead to so-called hidden employee leasing.
The legal consequences are severe:
- Bogus self-employment: If "freelance work" is in practice carried out like a dependent employment relationship (integration, subordination, lack of entrepreneurial risk), there is a threat of retroactive classification as a social security-liable employment relationship. The company may have to pay up to four, and in cases of intent, up to thirty years (!) of social security contributions retroactively, plus late payment surcharges and potentially criminal penalties (§ 266a StGB).
Whether a – often recommended – status determination procedure actually helps is questionable since (in my experience) decisions by the German Pension Insurance are, due to empty coffers and for legal reasons, often clearly at the expense of the self-employed. It should not be overlooked that client companies are usually financially better off than self-employed persons, who have to pay arrears and fines out of their own pockets. It is therefore not surprising if "executives" at the client have little empathy for this issue; after all, they don't pay for it themselves, sometimes not even from their department’s budget.
- Hidden or unauthorized employee leasing: If leasing is carried out without the required permit, a fictitious employment relationship is created between the client and the self-employed person (§ 9, § 10 AÜG). All labor law obligations, from salary and holiday entitlements to protection against dismissal, must be fulfilled retroactively.
- Tax consequences: Reclassification usually triggers subsequent wage tax payments for which both parties are liable. There is a risk of VAT reversals, deregistration of business, and further tax complications.
- Fines and criminal consequences: Intermediaries and clients risk fines of up to €30,000 per violation. In cases of intent, criminal proceedings and prison sentences may be imposed – in serious cases, multi-year sentences have already been handed down.
Important: These risks apply regardless of whether the actions were demonstrably intentional or merely negligent. Organizational mistakes or unclear contract structures are often enough to trigger massive legal consequences. Ignorance does not protect from punishment!
Temporary employment may seem legally less vulnerable to clients. The self-employed become employees within the ANÜ, while the costs and margins of intermediaries are even higher than in direct freelance placements. The affected parties are often left with lower compensation without any reduction in risks.
6. Further dangers for intermediaries (providers, lawyers)
- Invalid contracts: Contracts in the case of hidden ANÜ are considered void. An employment relationship between hirer (client) and the self-employed person is automatically created.
- Fines and profit confiscation: In addition to hefty fines, all economic benefit (fees/margin) can also be confiscated. Those acting repeatedly and systematically face existential economic threats.
- Liability for social contributions and taxes: Intermediaries are jointly and severally liable with the client for all payments, including retroactively.
- Loss of reputation: Public scandals or entries in the commercial register destroy clients’ and partners’ trust – often marking the end of the intermediary’s business model.
7. Warning notes regarding contract design and practice
For clients and providers/lawyers placing freelancers:
- Avoid any contract design or practice that indicates integration, subordination, fixed working hours, use of client equipment, permanent team integration, or unilateral work obligations.
- Check whether the work is truly independent and entrepreneurial – if in doubt, initiate a status determination procedure considering the points above.
- Adhere strictly to legal disclosure requirements and all provisions of the Employee Leasing Act.
- Document independent working practices and avoid "chain leasing" and the use of self-employed persons as permanent team members or with fixed hours.
8. Latest case law (2024/2025): What to pay attention to?
Recent court decisions confirm: what matters is the actual working relationship, not (just) the lawful contract wording. Integration into the organization, subordination, and lack of entrepreneurial initiative regularly lead to reclassification.
Judgments reinforce that, in addition to repayments and contract nullity, criminal consequences (up to several years imprisonment) are possible, especially in cases of commercial or systematic action.
Conclusion and urgent recommendation
Employee leasing for self-employed persons combines the most severe disadvantages of both employment and self-employment – without offering the respective advantages. It is economically and personally unattractive for the self-employed and existentially risky for clients and intermediaries.
Risks range from retroactive payments and contract invalidity to fines and threats to professional existence and prosecution under the criminal code. Faulty arrangements destroy both trust and businesses.
Companies, providers, and lawyers are obliged to ensure professional contract design with clear distinctions, and regularly review freelancer status. Deliberate avoidance of employee leasing in the context of self-employed activities is the surest way to prevent – or at least minimize – legal, economic, and personal disasters for all parties involved.
Warning: Anyone who, out of carelessness, ignorance or profit-seeking, relies on employee leasing of self-employed persons today, is in fact gambling with the future of their business. If in doubt, seek advice from a lawyer specialized in social law – and opt for clean contractual arrangements grounded in real entrepreneurship. This practice comes with far fewer pitfalls and, in my experience, is no disadvantage at all for providers placing lawyers!